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Hoods GmbH
Am Hof 11
50858 Köln
Es ist noch gar nicht lange her, da war Snapchat das prädestinierte next big thing. 2012 wäre Facebooks CEO Mark Zuckerberg die Übernahme des damals aufstrebenden Konkurrenten kolportierte drei Milliarden (ja, das ist die Zahl mit den neun Nullen) Dollar wert gewesen. Snapchat-Chef Evan Spiegel lehnte dankend ab und erstaunte damit nicht nur seine Nachbarn im Sillicon Valley. Seitdem ist viel passiert und nicht wenige fragen sich, ob Spiegel nicht eventuell ein wenig übers Ziel hinaus geschossen ist.
Aktuell steht die App bei 2,2 Sternen bei fast dreiundsechzigtausend (ja, das ist die Zahl mit den drei Nullen) Bewertungen. Die Gründe dafür sind leider größtenteils hausgemacht. Früher, als Snapchat noch das neue hippe Ding war, war die Handhabung so simpel wie genial: Foto oder Video machen (am besten irgendwas in Richtung Selfie, schließlich ist es DEIN Profil) hochladen, neidische Komplimente der eigenen Onlinefreunde abgrasen („Wow! Deine Augenbrauen sind der Hammer, Süße(r)!“) und nach 24 Stunden ist der Spuk unwiderruflich vorbei bzw. löscht sich selbst. Offenbar war Snapchat diese Simplizität selbst nicht ganz geheuer und so wurden munter Features in die Welt geblasen, die mal ganz gut ankamen (Filter for the win!), oft aber leider keinen User vom Baum holten. Der Grund hierfür war wohl vor allem, dass sich Snapchat augenscheinlich große Mühe gab, besagte Features möglichst kompliziert in der Anwendung zu gestalten und maximal sicher zu verstecken. Genau das also, worauf die Digital Natives, denen man gemeinhin und gemeinerweise gerne mal die Aufmerksamkeitsspanne eines toten Goldfischs zuschreibt, so stehen. Ein neues Design bekam die App ebenfalls verpasst und das kam so gut bei den Nutzern an, dass gleich 1,2 Millionen (ja, das ist die Zahl...ach lassen wir das) von ihnen sich bemüßigt fühlten, eine Petition zur sofortigen Rückkehr zum alten Design zu unterschreiben. Es half alles nichts.
Preisfrage: Wie lenkt man eine riesige Schar erzürnter App-Nutzer von einem neuen, nutzerunfreundlichen Design ab? Ich möchte lösen und sage: Kreiere einen Shitstorm, indem Du etwas so Blödes machst, dass es deiner Zielgruppe für einen Moment die Sprache verschlägt. Richtig! Ding Ding Ding! Der Kandidat gewinnt zehn Snapchat-Aktien. Der Stein des Anstoßes? Eine Werbung auf der Plattform, die ein Spiel mit der feinfühligen Frage bewarb, ob man lieber Rihanna schlagen oder Chris Brown boxen würde. Zur Erinnerung: Rihanna war 2009 von ihrem damaligen Freund Chris Brown übel verprügelt worden. Zur Erinnerung: Wir haben 2018 und da ist häusliche Gewalt eher nur noch so semilustig. Zur Erinnerung: Ehrlicherweise war häusliche Gewalt noch nie lustig, sondern immer schon feige, schwach und widerwärtig.
Leider (für Snapchat) ist es so, dass Menschen, denen es die Sprache verschlagen hat, immer noch in der Lage sind zu twittern. Und das taten sie. Allen voran verständlicherweise Rihanna, die die App scharf kritisierte und damit einen Kurssturz um 4% verursachte. Das entsprach ca. 800 Millionen Dollar. Solidarisch zeigten sich (neben vielen tausend Normalos) Chrissy Teigen und Kylie Jenner, die die App löschten bzw. kritisierten und dies der Welt öffentlichkeitswirksam beim Konkurrenten Twitter verkündeten. Der Kurs sank nochmal um 1,5% bzw. sogar 6%. Natürlich ruderte Snapchat zurück, löschte die Werbung und das Spiel gleich mit und kroch öffentlich zu Kreuze. Aber too little, too late.
Erinnerst Du dich noch, als wir vor ca. drölfzig Zeilen davon sprachen, dass die Gründe für Snapchats Trudeln GRÖSSTENTEILS hausgemacht sind? Gut aufgepasst! Jede gute Geschichte braucht schließlich auch einen Antagonisten und auch wenn Snapchat sich alle Mühe gibt, selbst in diese Rolle zu schlüpfen (s.o.), gibt es da eben den einen Konzern, der noch ein bisschen größer und noch ein bisschen skrupelloser ist: Facebook. Nachdem Mark Zuckerberg nämlich mit seinem Übernahmeangebot abgeblitzt war, entschloss er sich, Snapchat all seiner Alleinstellungsmerkmale zu berauben. Er würde es möglicherweise anders formulieren, aber im Endeffekt lief es darauf hinaus. Die Waffe seiner Wahl hörte dabei auf den harmlosen Namen „Stories“, ist mittlerweile das beliebteste Feature bei Instagram und lässt immer mehr Nutzer verdutzt fragen, warum genau sie Instagram UND Snapchat nutzen sollten, wo doch eine App ausreicht und beide ungefähr das Gleiche bieten. Instagram ist sowas wie der leicht zu bedienende, etwas hübschere Bruder von Snapchat und da dieser Vergleich zugegeben hinten und vorne hinkt, ziehen wir einfach ein paar weitere schnöde Zahlen heran. Diese lauten 188 Millionen und 400 Millionen und bezeichnen die täglichen Nutzer der beiden Plattformen im zweiten Quartal 2018. Dass die kleinere Zahl zu Snapchat und die größere zu Instagram gehört, sollte dabei wohl nach Lektüre des bisherigen Textes klar sein.
Machen wir uns nichts vor: auch 188 Millionen Nutzer sind eine beachtliche Zahl. Seine Vorreiterrolle hat Snapchat dennoch verloren. Skandale und mangelnde Rücksichtnahme auf Wünsche der eigenen Nutzer haben die Plattform hart getroffen. Die App, die sich das Versprechen „Die schnellste Art den Moment zu teilen!“ auf die sprichwörtliche Fahne geschrieben hat, muss mehr und mehr einsehen, dass auch besagte Momente manchmal extrem kurz sein können. Besonders die im Scheinwerferlicht.