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Hoods GmbH
Am Hof 11
50858 Köln
Das hatten sie sich bei Pepsi so schön vorgestellt. Junge, hübsche Menschen unter strahlend blauem Himmel, vereint im Kampf für das Gute, den Frieden, das Leben. Angeführt von einem Model Schrägstrich Reality-TV-Teilnehmer, die einen (sicher hochdotierten) Fotojob mal eben sausen lässt, weil es um ein höheres Ziel geht. Schnell noch ein, zwei Dosen Blubberbrause im Gegenlicht und dann der Showdown aller Showdowns: das Model überreicht dem gutaussehenden, aber finster dreinblickenden Polizisten in Sommeruniform, der sich einer Demonstration entgegenstellt, eine Pepsi und hellt damit nicht nur sein Gesicht auf, sondern sorgt für die Verbrüderung der Ordnungsmacht mit dem Volk. So schön!
Schon am Tag der Ausstrahlung dieses Fernsehspots von Pepsi in Zusammenarbeit mit Kendall Jenner war abzusehen, dass sich der amerikanische Getränkehersteller verzockt hatte. Nicht ein bisschen, nicht im Sinne von „wir klären beim nächsten Treffen, was man nächstes Mal besser machen könnte“, sondern komplett und auf ganzer Linie. Nach einem Aufschrei in den sozialen Medien und auf unzähligen Nachrichtenseiten blieb nicht viel mehr als Krisenmeetings, eilig verfasste und ziemlich kleinlaute Entschuldigungsschreiben und letztendlich der weltweite Stop des Clips auf allen Kanälen. Ein Desaster.
Stellt sich natürlich zuallererst die Frage, wie sowas passieren konnte. Pepsi ist ein Unternehmen mit über 63 Mrd. Dollar Umsatz im Jahr. Da werden Entscheidungen nicht von einem völlig überarbeiteten Freelancer nach einer durchzechten Nacht am heimischen Schreibtisch getroffen. Dass auch niemand von Kendall Jenners Management irgendwann mal einwarf, dass zwar Zusammenstöße von Polizei und vornehmlich Demonstranten des Black Lives Matter Movements fast täglich für Schlagzeilen sorgen, aber so auch gleichzeitig beweisen, dass eben längst nicht alle Nachrichten gute Nachrichten sind. Beantworten können wir die Fragen nicht.
„Pepsigate“, wie die Geschehnisse rund um den obigen Spot in Ermangelung jeglicher Fantasie teilweise schon genannt wurden, ist dabei mitnichten ein Einzelfall. Die Geschichte der Werbung ist eine Geschichte voller Missverständnisse und einiger ganz tiefer Griffe ins Klo. Besonders weit muss man dafür nicht einmal zurückgehen. Kurz vor Pepsis Versuch die Welt ein kleines bisschen besser zu machen, musste sich die Beiersdorf AG in den USA der (berechtigten) Kritik an der Kampagne für ein neues Nivea-Produkt stellen. Die nur schwer missverständliche Aussage des Slogans „White is purity“ war offenbar sämtlichen Entscheidungsträgern durchgerutscht. Nach heftiger Kritik wurde die Kampagne gestoppt und fungiert nur noch als Lieblingsmeme für Internettrolle, Alt-Rights und selbsternannte Herrenmenschen. Hätte man sich doch nur den eigenen Ansatz „keep bright“ zu Herzen genommen.
Aber keine Sorge. Auch Deutschland kann schlechte Werbung. Bestes oder vielleicht eher schlechtestes Beispiel: Wiesenhof und Atze Schröders Hammergags über sexuellen Missbrauch. Zur Erinnerung: während Model Gina-Lisa Lohfink vor Gericht gegen ihre zwei (mittlerweile von den Vorwürfen freigesprochenen) Vergewaltiger vorging, prahlte Comedian Atze Schröder in einem Werbespot für Wiesenhof mit seiner großen Wurst, nach deren „Genuss“ „Gina und Lisa erstmal in die Traumatherapie“ müssten. Was haben wir gelacht.
Noch bevor sich der Deutsche Werberat einschalten konnte, zog Wiesenhof den Clip zurück und auch Schröder veröffentlichte ein Statement, in dem er sich für das Video entschuldigte. Die anderen Spots der Kampagne sind nach wie vor zu sehen. Diese verstoßen möglicherweise gegen den guten Geschmack. Strafbar sind sie wohl nicht.
Warum es überhaupt solche Fälle gibt, bleibt ein Mysterium. Immerhin reden wir hier eben nicht über den Schreiner von nebenan, dem sein Photoshop-affiner Neffe für einen Kasten Bier eine nackte Frau auf den Bulli klebt. Die obigen Beispiele (eine wirklich kleine Auswahl) sind die Fehlgriffe riesiger Unternehmen mit gewaltigem Budget. Wie konnte da niemandem auffallen, dass solche Kampagnen nach hinten losgehen würde? Natürlich wird es immer schwieriger, aus der Masse an Werbung und anderen Reizen herauszustechen. Aber so? Richtig ist, dass Sexismus, Diskriminierung oder schlicht mangelndes Fingerspitzengefühl Unternehmen im Gespräch halten. Produkte verkaufen sie allerdings nicht. Fragen sie Pepsi, Beiersdorf oder Wiesenhof.